Definition
Unter Vorderer Kreuzbandruptur versteht man eine durch Gewalteinwirkung entstandene, vollständige oder teilweise Kontinuitätsunterbrechung des vorderen Kreuzbandes.
Ursache und Verletzungsmechanismus
Die für den Kreuzbandriss prädisponierten Sportarten sind Fußball und Skifahren. Dabei kommt es meist zum sog. Flexions-Valgus-Außenrotations-Stress im Kniegelenk (nach Außendrehen des Kniegelenks bei gleichzeitiger X-Beinstellung), welcher zur Verletzung des Bandes führt. Gerade beim Skifahren kommt es sehr häufig zur sog. Unhappy triad - Verletzung des Kniegelenks. Dabei werden das vordere Kreuzband, der Innenmeniskus und das Innenband gleichzeitig verletzt. Die fehlende Funktion des vorderen Kreuzbandes führt zur Instabilität im Kniegelenk, was vermutlich den vorzeitigen Verschleiß des Kniegelenks begünstigt.
Symptome
Typisch für eine Kreuzbandruptur ist der Schmerz, der unmittelbar zum Zeitpunkt der Verletzung auftritt. Der Schmerz lässt anschließend nach und tritt wieder bei erneuter Belastung auf. Ebenso kommt es zu Schwellungen und, weil die Gefäße mitverletzt werden, auch zur Einblutung in das Gelenk.
Diagnose
Kernspintomographie eines
Knies
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Die Verletzung des vorderen Kreuzbandes wird durch die klinische und apparative Untersuchung festgestellt. Als klinischer Test eignet sich der Lachmann- und der Pivot-Shift-Test relativ gut. Was die apparative Diagnostik anbetrifft, so wird oft standardgemäß eine Röntgenaufnahme durchgeführt, um knöcherne Verletzungen auszuschließen. Der Kreuzbandriss als solcher kann relativ gut mit der Kernspintomographie verifiziert werden.
Lachmann-Test
Pivot-Shift-Test
Klassifikation des vorderen Schubladenzeichens nach Debrunn
Klassifikation des vorderen Schubladenzeichens nach Debrunn | |
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Grad I (+) | leichte Verschiebung 3-5 mm |
Grad II (++) | mittlere Verschiebung 5-10 mm |
Grad III (+++) | ausgeprägte Verschiebung >10 mm |
Therapie
Die vordere Kreuzbandruptur wird entweder konservativ oder operativ versorgt. Dabei entscheidet der Arzt aufgrund der individuellen Situation des Patienten welche Behandlung erfolgen soll. Das Kniegelenk eines Leistungssportlers wird in seinem Alltag sehr starken Belastungen ausgesetzt, so wird man sich hier eher für eine operative Versorgung entscheiden. Ein älterer, sportlich inaktiver Mensch könnte eventuell gut ohne Operation klar kommen. Ein aufklärendes Gespräch mit dem behandelnden Arzt ist deshalb sehr wichtig.
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Konservative Therapie
Die konservative Therapie wird interdisziplinär durchgeführt. Dabei findet eine physiotherapeutische Behandlung und eine Versorgung mit Hilfsmitteln statt. Der Arzt observiert den Rehabilitationsprozess und kümmert sich vor allem in der Akutphase um Schmerzlinderung und Abschwellung des Kniegelenks durch Gabe von Schmerzmitteln und Entzündungshemmern.
Ortophädie-Technik:
In den Wundheilungsphasen sollte das Gelenk entlastet und stabilisiert werden. Dies wird durch eine Unterarmgehstütze und einer Knieorthese gewährleistet.
Physiotherapie
Die physiotherapeutische Betreuung spielt bei der konservativen Therapie eine entscheidende Rolle. Die Erfahrung des Therapeuten ist dabei für das Gelingen der Therapie entscheidend. In der Frühphase geht es hierbei um Entzündungshemmung, Weichteilbehandlung und Förderung der Wundheilung. Es kann lokal, aber auch segmental (fernab vom verletzten Gebiet) gearbeitet werden. Anschließend wird Muskelaufbau und Stabilitätstraining durchgeführt. Ziel der Therapie ist es zumindest die muskuläre Sicherung des Gelenks wiederzuerlangen bzw. zu verbessern. Die Stabilität des Bandes an sich kann alleine durch Physiotherapie nicht beeinflusst werden.
Operative Therapie
Die bandhafte Sicherung des Gelenks kann nur operativ wiederhergestellt werden. Viel mehr als bei der konservativen Therapie ist für das Gelingen der Operation das Können des Behandlers/Chirurgen gefragt. Auf dem ersten Blick mag es keinen Unterschied ausmachen, dennoch, in der postoperativen Nachsorge sieht man oft gravierende Unterschiede. Das Auftreten oder Nichtauftreten von Komplikationen, wie Schwellneigung, Instabilitätsgefühl und wiederkehrende Belastungsschmerzen, dienen hierbei als Qualitätsmerkmale. Es gibt verschiedene Operationsmethoden des vorderen Kreuzbandrisses, diese sollten jedoch mit dem operierenden Arzt besprochen werden.
- Prä-OP
Der Patient sollte im Idealfall vor der Operation schon mit der Physiotherapie beginnen. Unmittelbar nach der Verletzung sollte die Schwellungsreduktion im Vordergrund stehen. Man kann auch die durch Verletzungsmechanismus entstandenen Bindegewebsläsionen (sog. Faszien-Distorsionen) beseitigen. Des Weiteren sollte die Oberschenkelmuskulatur auftrainiert werden. Diese Maßnahmen erleichtern die postoperative Nachsorge enorm.
- Post-OP
Nach der Operation wird Lymphdrainage und Krankengymnastik durchgeführt. Hierbei geht es um die Reduktion von Schwellungen und um eine Weichteilbehandlung, damit es nicht zu Verklebungen im Gewebe und Bewegungseinschränkungen kommt. Zunehmend wird durch manuelle Therapie die Normalisierung der Gelenksmechanik (Arthrokinematik) wiederhergestellt. Die Muskulatur soll angebahnt (z.B. durch PNF) und anschließend (bei Vollbelastung) mit der Trainingstherapie gekräftigt werden. Der Fokus der Trainingstherapie liegt auf der Wiederherstellung der muskulären Stabilität. Handelt es sich um Sportler, so sollte unbedingt eine Rekonditionierung durchgeführt werden. Damit sollte der Sportler nach dem Beenden der klassischen Physiotherapie auf die Anforderungen des sportlichen Alltags vorbereitet werden.
Phasen der Wundheilung
Das Ausheilen einer Kreuzbandverletzung verläuft in unten genannten Phasen ab. Dabei ist es sehr wichtig, dass die physiotherapeutische Behandlung exakt den Wundheilungsphasen angepasst ist. Ansonsten kann es aufgrund inadäquater Reizsetzung zu Komplikationen bei der Wundheilung des Gewebes kommen.
- Entzündungsphase / Latenz- / Reizungs- oder katabole Phase (0. bis 5. Tag)
- Vaskuläre Phase (auch Latenz-Phase)
- Ziel: Blutverlust geringhalten
- Mittel:
- Gefäßverengung (Vasokonstriktion)
- Gerinnung: Thrombozyten, Fibrin
- Dauer: 0. bis 2. Tag
- Zelluläre Phase (auch Entzündungs-Phase)
- Ziele: Abräumen von Fremdkörpern und Zelltrümmern, Abwehr von Infektionen, Einleiten des Wiederaufbaus.
- Mittel: Leukozyten, Enzyme, Hämodynamik, Chemotaxis, Zytokine, Wachstumsfaktoren.
- Dauer: 2. bis 5. Tag
- Proliferationsphase oder exsudative Phase
- Ziel: Aufbau eines provisorischen Ersatzgewebes (Granulationsgewebe)
- Mittel: Fibroblastenproliferation. Gefäßneubildung (Angiogenese), Wachstumsfaktoren
- Dauer: 5. bis 21. Tag
- Konsolidierungsphase = Reifungsphase = Umbauphase = Remodelling Phase
- ab 21. Tag bis zum 60. Tag
- Ziel: Umwandlung des provisorischen Ersatz- in definitives (Narben-) Gewebe.
- Mittel: Redimensionierung von Gefäßen und Zellzahlen, Umwandlung und Ausreifung von Bindegewebszellen und -substanz, Verkleinerung der Narbe durch Kontraktion (auch Kontraktionsphase genannt)
- Die Endphase, Reifung oder Neuformung
Dies ist die längste Phase. Sie beginnt etwa 21 Tage nach der Verletzung und hält ein Jahr oder länger an. Oft teilt man die Phase in eine Konsolidierungsphase und eine Organisationsphase (60. bis 360. Tag) ein. Während dieser Zeit bilden sich die Kollagenfasern um.
Die Kollagensynthese bleibt bis zum 120. Tag hoch. Bis zum 150. Tag sind etwa 85% des ursprünglich angelegten Kollagens Typ III durch stabileres Kollagen Typ I ersetzt. Die Narbe altert, enthält weniger Zellen und gewinnt an Reißfestigkeit (letztere ist die maximale Kraft, die ausgeübt werden kann, ohne dass es zum Zerreißen kommt.)
Die Narbe besitzt bis zu 80% der ursprünglichen Stärke, bleibt aber stets dem Originalgewebe in der Struktur unterlegen.
- Vaskuläre Phase (auch Latenz-Phase)
Fragen & Antworten
- Wie wirkt sich Nikotinkonsum auf die Wundheilung aus?
Aktives und passives Rauchen führt zu einer langsameren Wundheilung. Die für die Wundheilung zuständigen Zellen, die Fibroblasten, wandern bei einer normalen Wundheilung in das Gebiet der Wunde hinein und sondern dort Wachstumsfaktoren ab, die zur Bildung von neuem Gewebe führen. Durch das aktive und passive Rauchen werden die Fibroblasten inaktiver und sie sammeln sich vorwiegend im Wundrandbereich. Das führt zu einer langsameren Wundheilung, sowie zu einer größeren Narbenbildung.
- Warum muß ich nach der Operation mit Gehstützen gehen?
Eine Operation stellt eine Gewebsverletzung dar, welche zu einer Entzündungsreaktion führt. Dabei werden Entzündungsmediatoren freigesetzt, die zur Senkung des PH-Wertes führen. Manche Gewebearten, z.B. der Knorpel, weisen eine herabgesetzte Belastbarkeit auf. Um den Knorpel vor Überbeanspruchung durch axiale Belastung zu schützen, verordnet der Arzt das Benutzen der Unterarmgehstützen beim Gehen.
- Wie lange muß ich Gehstützen benutzen?
Es ist sinnvoll sich nach den Angaben des behandelnden Arztes zu richten. Die Gehstützen werden oft zwischen der 4. und 6. Woche abgesetzt.
- Wann endet die Arbeitsunfähigkeit?
Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit nach so einem Eingriff hängt sehr von der Art der beruflichen Tätigkeit ab und sollte individuell mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.
- Wann darf ich wieder Joggen?
Auch hier sollten Sie sich Ratschläge von Ihrem Arzt einholen. Man kann sagen, dass das Joggen oft ca. nach 4ten bis 5ten Monat nach der Operation möglich ist.
- Wann darf man mit Kontaktsportarten beginnen?
Kontaktsportarten stellen ein hohes Verletzungsrisiko dar. Vor allen Dingen wirken sich Sportarten mit Stop & Go- Bewegungsabläufen sehr belastend für die Strukturen des Kniegelenks aus. Deshalb empfiehlt es sich mit solchen Sportarten frühestens nach 6 Monaten nach der Operation zu beginnen.
Weiterführende Informationen
- Sporthopädicum
- Rehabilitation:
Kontakt
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